11.04.2024
Sophia Emmerich ist Fotografin und Filmemacherin aus Berlin und setzt sich mit ihrer Arbeit für die Sichtbarkeit und Repräsentanz der LGBTQIA* Community ein. Ihre Arbeit wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, und ihre Fotostrecken international ausgestellt. Ihr jüngstes Foto- und Videoprojekt "MY BEST ALLY", das die Bedeutung von UnterstützerInnen außerhalb der LGBTQ* Community beleuchtet, wurde in Städten wie Berlin, Los Angeles und Barcelona gezeigt.
Hey, Sophia! Wie bist du zur Fotografie gekommen und was war deine erste Kamera?
Hey!
Meine erste Kamera liegt schon eine Weile zurück, aber ich erinnere mich an eine kleine, digitale Kompaktkamera mit einer ausfahrbaren Linse. Die erste Kamera, die ich mir selbst gekauft habe, war jedoch eine Canon EOS 750D im Jahr 2017. Bis dahin hatte ich entweder Kameras ausgeliehen oder Regie bei Musikvideos und anderen kreativen Projekten geführt. Fotografie und Film haben mich schon immer fasziniert, aber ich wusste nicht, dass man damit auch Geld verdienen kann. In meinem Umfeld kannte ich niemanden, der von Fotografie lebte, daher blieb es zunächst ein Hobby. Doch der Blick durch die Linse war für mich schon immer ein Weg, anderen meine Perspektive auf die Welt zu zeigen und vielleicht auch zu zeigen, dass sie anders aussehen kann als das, was ich um mich herum sah.
Dein Hauptfokus bei deiner fotografischen Arbeit liegt auf der LGBTQ+-Community. Was hat dich dazu inspiriert, und wie würdest du die Bedeutung von Identität, Vielfalt und Repräsentation in deiner Arbeit beschreiben?
Ich finde Inspiration insbesondere in den Menschen in meinem Umfeld - Menschen, die ihr authentisches Selbst leben und sich gegen Stereotypen und Vorurteile auflehnen. Als Teil der queeren Community ist es mir ein Herzensanliegen, Repräsentation zu schaffen und Bilder zu kreieren, in denen sich Menschen wiederfinden können. Mein Ziel ist es, queeren Menschen das Gefühl zu geben, gesehen und geschätzt zu werden.
Schon als Kind vom Land habe ich mir mehr Queerness in den Medien gewünscht. In meiner fotografischen Arbeit liegt ein großer Schwerpunkt auf der Darstellung von Identität, Vielfalt und Repräsentation. Jeder Mensch hat das Recht, gesehen und gehört zu werden, unabhängig von seiner Identität.
Mit meinen Bildern möchte ich stereotype Vorstellungen aufbrechen und eine authentische Repräsentation der LGBTQ+-Community schaffen. Meine Fotografien sind eine Hommage an die Vielfalt und Schönheit queerer Identitäten und sollen dazu beitragen, dass sich Menschen aus dieser Community gesehen, akzeptiert und wertgeschätzt fühlen.
Dein neuestes Foto- und Videoprojekt, „My best Ally" zeigt die Verbindungen zwischen queeren Menschen und Menschen außerhalb der Gemeinschaft. Was war deine Inspiration für dieses Projekt und wie hat es deine Arbeit beeinflusst?
MY BEST ALLY habe ich zusammen mit meiner Projektpartnerin Lisa-Sophie Kempke entwickelt. Bereits 2022 wurde unser gemeinsames Projekt QUEER PLATONIC in Berlin, New York und London ausgestellt. Als wir im Sommer 2023 von Netflix angefragt wurden, ein neues Projekt für den Pride Hub in Berlin zu kreieren, wollten wir gerne eine Brücke zwischen der queeren Bubble und allen Menschen schlagen, die sie unterstützen, aber selbst nicht direkt Teil der Community sind. Die Idee war es zu zeigen, auf wie viele unterschiedliche Weisen es möglich ist, ein sogenannter Ally zu sein und, dass jede*r ein Ally sein kann.
In der Umsetzung wollten wir, dass sich das Projekt klar von unseren anderen Arbeiten und Projekten abgrenzt und da gerade das Thema künstliche Intelligenz in aller Munde war, entschieden wir uns, menschengroße Blumen in unsere Bilder zu integrieren. Die Blumen symbolisieren dabei jeweils die Verbindung der beiden Personen auf dem Foto.
Welche Herausforderungen hast du bei der Umsetzung deiner Projekte in verschiedenen Städten erlebt?
Das Planen von Shoots in anderen Städten erfordert sehr viel Organisation und beinhaltet in erster Linie viel Akquise, wie das Schreiben zahlreicher E-Mails. Die Herausforderung bestand vor allem in der Kommunikation mit verschiedenen ProtagonistInnen für unsere Projekte. Dazu kommt, dass je nach Umfang ein ganzes Team koordiniert werden muss. Letztendlich habe ich internationale Projekte nur mithilfe von Excel-Tabellen, Call Sheets, Übersichtsdokumenten und unzähligen Meetings realisieren können.
Du schaust dir deine Bilder nach einem Shooting an. Was haben die Bilder, die dir besonders gut gefallen, an sich?
Bei der Auswahl meiner finalen Bilder gehe ich sehr intuitiv vor. Dabei frage ich mich: Bewegt mich das Bild, bringt es eine Emotion rüber und transportiert es die Message, die mir wichtig ist? In vielen Fällen gehe ich nach meinen Shoots mit den Menschen, die ich fotografiert habe, gemeinsam durch die Bilder und frage sie, wo sie sich besonders gesehen und/oder schlichtweg gut getroffen fühlen. So bekomme ich ein besseres Gespür dafür, was am Ende ein Foto sein könnte, das sowohl meiner Vision entspricht, aber auch der Person vor der Kamera entspricht. Bei meinen freien Projekten ist es für mich das A und O, dass auch die fotografierte Person sich mit dem Endresultat gut fühlt.
Mit welcher Kamera und welchen Objektiven fotografierst du zurzeit und wo liegen für dich die Vorteile bei deinem Set-up?
Ich fotografiere mit der Canon R5 und dem "Allrounder"-Objektiv 24-70mm 2.8 von Canon. Damit habe ich ein kleines und kompaktes Set-Up. Da ich viel reise, war es mir sehr wichtig, ein Objektiv zu haben, das mir eine Vielzahl von Möglichkeiten und Flexibilität bietet.
Was ich auch sehr gerne verwende ist meine Polaroid Kamera. Eigentlich gibt es fast von jedem meiner Shoots mindestens ein Polaroid.
Wie siehst du die Rolle von Fotografie und Filmemachen in der Förderung von sozialem Wandel und Gerechtigkeit?
Für mich spielt die mediale Repräsentanz eine enorme Rolle, wenn es um sozialen Wandel geht. Bilder haben Macht - sowohl im Positiven als auch im Negativen. Besonders für Minderheiten ist es daher wichtig, in den Medien repräsentiert zu sein, denn wenn sich kleine queere Kinder umsehen, sehen sie unter Umständen selten Menschen, die "wie sie" sind. Es braucht positive (Vor-) Bilder, damit sich Menschen gesehen fühlen, aber auch, damit die Welt sieht, wie schön und vielfältig diese Community ist.
Vielen Dank, zum Abschluss … welche einfachen, aber wirkungsvollen Tipps hast du für unsere LeserInnen, die ähnliches einmal ausprobieren wollen?
Mir hat es unglaublich geholfen, die Frage zu beantworten: Was würdest du tun, wenn Geld keine Rolle spielt? Was würdest du tun, wenn dir niemand Vorgaben machen würde? Genau diese Bilder habe ich angefangen zu kreieren. Fragt euch, was euch wirklich am Herzen liegt, und erzählt genau diese Geschichten.