07.01.2025
Vinzenz Barz entdeckte die Fotografie über analoge Familienbilder und entwickelte daraus eine Leidenschaft, die ihn bis heute antreibt. Mit minimalistischem Equipment und einem klaren Blick für Licht und Details schafft er Aufnahmen, die Geschichten erzählen. Im Interview gibt er Einblicke in seine kreative Arbeitsweise, seine Inspirationsquellen und wie er Kundenwünsche mit seiner eigenen Vision verbindet.
Hey, Vinz! Was war deine erste Kamera und wie bist du zur Fotografie gekommen?
Die Fotografie war immer da. Mein Vater hat das Familienleben in den 90ern und den beginnenden 2000ern analog festgehalten. Ich war immer ganz aufgeregt, wenn er mit den Abzügen nach Hause kam und wir die Fotos sortierten und ins Album klebten. Die Jahre vergingen und ich wollte dann selbst kreieren und Fotograf sein, meine jugendliche Sicht auf die Welt zeigen. Meine erste Kamera war eine Canon IXUS - leider weiß ich die genaue Modellbezeichnung nicht mehr. Danach gab es eine silberne Panasonic Lumix. Ich erinnere mich wie stolz ich war und wie leicht das Leben schien. Als filmbegeisterter Mensch schrieb und drehte ich während der Abitur-Zeit zusammen mit einem Freund einen Action-Film, den wir 2009 in einem Open-Air Kino uraufführen durften. Der Applaus der Zuschauenden damals bedeutet mir bis heute mehr als jedes Like auf Instagram. Bereits während der Dreharbeiten habe ich gemerkt, wie viel mir das Erzählen von Geschichten gibt. Ich habe die Plakate gestaltet und alle Behind-the-scenes Fotos geschossen. Das war der Ursprung.
Es ist - wie alles im Leben - ein langsamer, stetig laufender Prozess, den jeder Fotograf und jede Fotografin gar nicht so recht in Worte fassen kann. Ich habe gemerkt, dass es mir etwas bedeutet. Und wie sehr ich es vermissen würde, wäre es nicht mehr da.
Was motiviert dich in der Fotografie? Hast du Vorbilder, deren Arbeit dich als Fotograf und Storyteller besonders inspiriert?
Ich glaube, dass es mir zum einen darum geht, gesehen zu werden. In der Schule war ich wegen meiner Affinität zur Kunst und zum Geschichtenerzählen eher ein Außenseiter. Ich denke, dass wir alle Wertschätzung brauchen und uns ausdrücken sollten. Egal wie. Das Ungesagte muss immer raus. Zum anderen gebe ich den Menschen mit meinen Fotos etwas zurück. Ich bin in der Lage durch das Drücken eines Knopfes durch Magie (zumindest hab ich mir das als Kind immer gesagt) die Zeit anzuhalten. Das ist verrückt! VorbilderInnen hatte ich im Laufe der Jahre keine. Ich würde sie eher als visuellen Kompass bezeichnen. Mich hat 2014 zum Beispiel die Arbeit von Paul Ripke unendlich begeistert. Das Einfangen des WM-Finals mit einer Leica M inmitten des Geschehens der völligen Ekstase hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Auf Joel Meyerowitz bin ich über Fotobücher gestoßen. Seine Art alltägliche Situationen (vorrangig in New York) fotografisch festzuhalten und mit jedem einzelnen Foto eine ganze Geschichte zu erzählen, hat mich ebenso nachhaltig in meiner Vorstellung von Kunst beeinflusst. Es ist ohnehin elementar sich mit anderen FotografInnen zu beschäftigen. Vielleicht nicht ausschließlich in den sozialen Medien, sondern in Ausstellungen oder wie eben erwähnt durch Bücher.
Welche Ausrüstung hast du, die dir besonders wichtig ist und gibt es ein Gadget oder ein Stück Equipment, das du kürzlich entdeckt hast und das du anderen FotografInnen empfehlen würdest? Was hat dieses Tool für deine Arbeit verändert?
Selbst, wenn ich sie nicht benutzen sollte, bin ich immer etwas entspannter, wenn meine Leica M10 dabei ist. Sie ist sowas wie ein Anker, ein alter Freund, auf den man sich verlassen kann. Vorrangig nutze ich sie mit Voigtländer-Objektiven, da diese ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Generell hat sich meine Fotografie durch die Leica M10 (davor die M240) komplett verändert. Ich bin ruhiger geworden, fokussierter und vor allem sicherer, wenn ich shoote. Und erden tut sie einen auch. Gerade, wenn man nur mit Autofokus und auf einmal manuell arbeitet, ist das schon eine Art Weckruf: „Junge, du fängst wieder ganz von vorn an zu lernen.“
Für gewöhnlich arbeite ich mit 28mm, 35mm und 50mm, aber was mich persönlich auf ein nächstes Level torpediert hat, war der Kauf des 85mm Zeiss Batis 1,8 . Es ist mittlerweile mit meiner Sony A7 IV verschmolzen und zu meinem dritten Auge geworden. Ich habe damit so wunderbare und cinematische Portraits geschossen. Aus unerklärlichen Gründen liegt mir diese Brennweite total und ich kann es jedem nur empfehlen, seine Brennweiten-Komfortzone regelmäßig zu verlassen. Gerade, wenn man ein kreatives Loch hat, kann dies Wunder wirken.
Du hast für Marken wie Porschedesign und Voigtländer gearbeitet. Wie gehst du auf die individuellen Wünsche deiner KundInnen ein, ohne dabei deinen eigenen Stil zu verlieren?
Die Antwort teile ich in zwei Parts auf. Erstens: Es gibt immer Jobs oder Zeiten, in denen man sich dem gewünschten Stil des Kunden oder der Kundin anpassen muss. Das ist hart, aber gehört zum Geschäft. Gerade am Anfang oder wenn man auf das Geld angewiesen ist. Es gibt auch Jobs, die einen kreativ wenig fordern und einfach abgearbeitet werden müssen. Jetzt aber zum zweiten Teil der Antwort: Hat man seinen Stil gefunden und ist selbstsicher in der eigenen Bildsprache, weiß wer man ist und hat ein ausgeprägtes Wertekonstrukt, dann fragen dich KundInnen gerade deswegen an. Ich kommuniziere im Vorfeld mit den KundInnen und lasse mir Moodboards zeigen oder gebe klar zu verstehen, was ich leisten kann und werde, wie meine Vision ist und wo sich alle Vorstellungen überschneiden. Das Finden von Gemeinsamkeiten ist elementar, genau so wie Ehrlichkeit und Authentizität. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Ideen komplett auseinanderlaufen, kam es auch schon vor, dass ich den Job nicht angenommen habe oder sich die Kundin von sich aus jemand anderen gesucht hat. Das ist aber völlig normal und passiert heutzutage auch etablierten FotografInnen. Am Ende sollte man sich trotz aller Widrigkeiten selbst treu bleiben.
Kreativität ist ein entscheidender Teil deines Jobs. Woher kommen die Ideen für deine Projekte? Nutzt du spezielle Techniken oder Methoden, um neue Inspirationen zu finden, oder entwickelst du deine Ideen eher spontan und intuitiv?
Wie viele andere Menschen gerate ich von Zeit zu Zeit in ein Kreatlivloch; von mir gerne „Krea-Tief“ genannt, um dem ganzen die Härte zu nehmen. Das ist normal und passiert den Besten. Daher hab ich meine eigenen Strategien entwickelt, die mich zu Ideen leiten. Eine sichere Inspirationsquelle sind Filme. Am Ende sind Fotos nichts weiter als eingefrorene Filmszenen. Ich lasse mich auch gerne durch Musik oder Bücher inspirieren, Museumsbesuche helfen auch oder einfache Spaziergänge in der Natur. Das Unterbewusstsein arbeitet stetig weiter. Am Ende wirkt es dann, als wäre es mir die Idee spontan gekommen, dabei habe ich den Samen bereits vor Tagen oder Monaten gesetzt.
Um ein Projekt mal anders zu gestalten oder um schneller ans Ziel zu gelangen, stelle ich mir manchmal folgende - rein hypothetische - Fragen wie „Wenn es mein letztes Shooting aller Zeiten wäre, wie würde ich es angehen?“ Oder „Wenn ich nur ein einziges Foto abgeben dürfte, wie würde ich es fotografieren?“ - das sind Gedankenexperimente, klar, aber sie regen die kreativen Areale des Gehirns an und führen oftmals zu erstaunlichen Ergebnissen.
Welche Rolle spielt die Nachbearbeitung bei deinen Arbeiten? Hast du einen bestimmten Stil oder eine Ästhetik, die du in der Bildbearbeitung verfolgst?
Ich glaube, dass ich noch nie ein unbearbeitetes Foto auf den sozialen Medien geteilt oder einem Kunden übergeben habe. Gerade das Edit rundet den eigenen Stil ab und macht ihn komplett. Ich vergleich das oft mit einem Maler, der seine Farbpalette parat hat und vor der Leinwand steht. Jeder Mensch hat dieselben Farben zur Hand. Doch jeder mischt sie anders, nutzt andere Maltechniken, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Mit der Zeit habe ich meine Farbpalette verändert, manchmal kehre ich aus Spaß zu alten Edits zurück. In Lightroom habe ich meine eigenen Presets, die über die Jahre ausgereift sind und auf verschiedene Szenen passen. Mein Instagram-Feed als Beispiel hat eine cineastische und künstlerische Atmosphäre, die mir gefällt. Ich lege viel Wert auf Licht und Schatten, um Tiefe und emotionale Wirkung in meinen Fotos zu erzeugen. Das warme, weiche Licht verleiht den Bildern eine intime Stimmung, während das harmonische Farbschema alles visuell stimmig hält. Durch den Fokus auf Porträts und das Einfangen persönlicher Momente versuche ich, einen nachdenklichen, stimmungsvollen Stil zu schaffen, der sowohl professionell als auch kohärent wirkt.
Gibt es einen bestimmten Moment oder eine Begegnung in deiner Karriere, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Als die COVID-Pandemie die Welt und Zeit anhielt, hab ich versucht weiterhin kreativ zu sein und Möglichkeiten gesucht, um neue Wege zu gehen. So habe ich dem Instagram Channel meines Lieblingskinos in Berlin, dem Zoopalast, geschrieben. Nach etwas Überzeugungsarbeit durfte ich zusammen mit einem Model im leeren Kino shooten. Als selbsternannter Cineast war es ein unfassbar emotionaler Moment, als ich ganz vorn im leeren Kinosaal 1 stand: 781 nicht besetzte Plätze. Ich vergaß, dass ich zum Shooten hier war. An einem Ort, der sonst für Staunen sorgt und zum Träumen anregt, für gemeinsames Eintauchen in fremde Welten, in Popcorn bereits vor dem Film aufessen - das war hart und schön zugleich.
Vielen Dank, zum Abschluss ... Hast du einige Tipps für unsere LeserInnen, die daran interessiert sind, Storytelling in ihre Fotografie zu integrieren?
Wenn man noch ganz am Anfang steht, dann sollte man damit beginnen, sein Leben zu dokumentieren. Automatisch beginnt man, auf kleine Dinge zu achten, auf Details und Begegnungen. Das kann Alltägliches sein oder ein Konzertbesuch, ein Kindergeburtstag, egal was. Oder man begleitet ein älteres Familienmitglied einen Tag lang und fängt das vermeintlich stillere Leben ein. Dabei geht es nicht darum, die Fotos zu veröffentlichen. Es geht vielmehr darum anzufangen wie ein Regisseur, eine Regisseurin oder ein Schriftsteller bzw eine Schriftstellerin zu denken. Wenn man einen Menschen portraitiert, muss es dann zwangsläufig das Gesicht sein? Oder sagt die lustige Mickey-Maus Uhr am Handgelenk vielleicht mehr aus? Es gibt unzählige Möglichkeiten, eine Geschichte bildhaft darzustellen. Es ist wichtig, es einfach zu machen. Ganz gleich wie das Resultat am Ende aussieht.